Robert Detobel
Über Shakespeares Authentizität und Tod

Sie taucht fast alle Jahre wieder auf, die Frage, ob Shakespeare seine Werke selber geschrieben habe. Ob nicht ein anderer sich hinter dem Namen verberge. Und wenn? Wenn Shakespeare wirklich bloß das Pseudonym eines anderen Künstlers gewesen wäre, was änderte sich dadurch wesentlich am Verständnis dieses Werkes? Es scheint, als hätte der Verfasser selbst durch seine Heldin Julia die Antwort gegeben, als bräuchte man in den Worten, die Julia in der zweiten
Szene des zweiten Aktes spricht, „Rose“ und „Romeo“ nur durch Shakespeare zu ersetzen:

Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,
Wie es auch hieße, würde lieblich duften.
Das Kunstwerk folgt anderen Gesetzen als das Leben. Aber alle Jahre wieder erscheint mindestens eine neue Shakespearebiographie. Und das Material dieser Biographie wird hauptsächlich aus dem Werk, nicht dem Leben genommen. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen besteht das Bedürfnis nach einem Porträt des Mannes, das zum Werk paßt. Schließlich denken wir auch in Bildern und von Bildern, vom Imaginären her. Wenn die Reise zwischen Leben und Werk so lange dauert, daß vom einem zum andern entweder das eine oder das andere unerreichbar wird, empfiehlt es sich, eine Zwischenstation einzuschalten. Diese Zwischenstation zwischen Werk und Mensch ist die Weise, wie der Mensch sein Werk herausgab. Von dieser Zwischenstation aus gewinnt man eine neue und recht spannende Perspektive.

Der erste uns bekannte Hinweis auf das Erscheinen einer Gesamtausgabe von William Shakespeares Bühnenstücken ist die Vorankündigung im Herbstkatalog des Jahres 1622 der Frankfurter Buchmesse. Erscheinungsjahr ist sehr wahrscheinlich 1623. Die Gesamtausgabe erscheint im Folioformat, weshalb sie kurz „die erste Folio“ genannt wird. Das Folioformat ist das größte aller Formate. Es entsteht durch einmaliges Falten eines Papierbogens, was zwei Blatt oder 4 Buchseiten ergibt. Wird der Bogen nochmals gefaltet, erhält man vier Blatt: das halb so große Quartoformat. Von den insgesamt 36 Stücken der ersten Folioausgabe erscheinen 18 zum erstenmal, 18 sind vorher in einer oder mehreren Auflagen als Quarto erschienen. Die teils erheblichen Unterschiede zwischen Folio- und Quartofassung eines Stückes geben Rätsel auf.

Nicht nur diese Unterschiede, sondern auch die zwischen der ersten und den späteren Folioausgaben. 1632 erscheint die zweite Folioausgabe, 1652 die dritte, 1685 die vierte, usw. Shakespeares Werk bleibt aktuell, aber die Umstände seiner Publikation muten vorgeschichtlich an. Heute unterscheiden sich die Gesamtwerkausgaben meist nur noch in Varianten: ein um Jährchen vor- oder rückwärts geschobenes Entstehungsjahr, ein Vers, ein Wort, ein Komma. Das erweckt den Anschein, als handelte es sich um Präzisierungen einer im reifen Stadium angelangten Wissenschaft. Kaum anders verhält es sich bei Gesamtwerkausgaben von Goethe. Aber die zweite Shakespeare-Folioausgabe enthielt schon einige Stücke mehr als die von 1623. Es wird bis heute bezweifelt, ob diese zusätzlichen Stücke wirklich von Shakespeare seien. Und in der dritten Folioausgabe hatte sich dann die Anzahl der Bühnenstücke um fast 1/3 erhöht. Hinzugekommen waren Bühnenstücke, die inzwischen allgemein als Shakespearsches Werk verworfen werden.
War es Fälschung, Betrug? Es war einfach Unkenntnis. 1623 war der Autor bereits tot, es fehlte seine Autorität, nicht nur weil der Autor nicht mehr lebte, sondern weil von etlichen Stücken keine
Manuskripte bestanden, die der Autor noch vor seinem Tod selbst als authentisch ausgewiesen hätte. Shakespeare hatte an der Herausgabe seines Gesamtwerkes kaum Anteil.

Shakespeares Bühnenwerk war nicht das erste, das in Folioformat ausgegeben wurde. Sein Freund Ben Jonson war ihm vorangegangen, ausgerechnet im Jahr 1616, dem Todesjahr Shakespeares. Ben Jonson starb 1638. Er edierte sein Werk selber, er bestimmte selbst, was von dem, das er geschrieben hatte, von der Welt und der Nachwelt als sein Werk betrachtet werden sollte. Er las Korrektur. Die Fassungen der in den kleineren Quartoausgaben erschienenen Einzelwerke unterschieden sich nicht allzusehr von den späteren Fassungen der Folioausgaben. Er schrieb, genau wie in seinen Quartos vor jedem Stück ein Vorwort an die Leser, erklärte, daß, anders als bei gewissen Aufführungen, der Text vollkommen sein eigener war. Denn – wie offenbar auch Shakespeare – hatte Ben Jonson gemeinsam mit anderen Autoren Stücke geschrieben. Solche Stücke wollte er nicht als sein Werk betrachtet wissen.

Durch die Art der Ausgabe seines Folianten kommt Ben Jonson dem, was wir heute als eine Selbstverständlichkeit literarischer Produktion voraussetzen, ungleich näher als Shakespeare, nämlich: einem seiner unverwechselbaren Individualität bewußten Autor, der bestimmt, welche einzigartige Fassung als reife, veröffentlichungswürdige Frucht seines Schaffens zu gelten habe. Denn nichts von alledem: Korrekturlesen, Vorwort an die Leser, Jahreszahl der Uraufführung usw. trifft für Shakespeares Folioausgabe zu. Hatte er sich darum gar nicht gekümmert? Hatte er seines Geistes Kinder, einmal in die Welt gesetzt, stiefmütterlich behandelt? In seinem Standardwerk über die erste Folioausgabe schreibt Walter W. Greg, natürlich habe sich Shakespeare um den Druck seines Werkes gekümmert. Eine Begründung liefert Greg uns allerdings nicht. Einer Begründung bedarf es auch nicht. Shakespeare, der sprachliche Perfektionist, ist Grund genug für diese Behauptung. Trotzdem enthält die erste Folioausgabe Stücke wie Timon von Athen oder Troilus und Cressida, die man nicht als fertig betrachten kann. Oder ein Stück wie Heinrich VIII., an dem erkennbar ein anderer mitgearbeitet hat. Ben Jonson hat dies für sein Werk nicht hingenommen.

Des Rätsels Lösung geben uns John Hemings und Henry Condell, Schauspielerkollegen Shakespeares, die als Herausgeber der ersten Folioausgabe firmieren. In ihrer Vorrede schreiben sie: Es wäre wünschenswert gewesen, der Verfasser hätte die Herausgabe seines Werkes selber überwacht, aber da „der Tod ihn dieses Rechts beraubt hat...“, hätten sie sich seiner „Waisenkinder“ angenommen und die Herausgabe getreu der Absicht des verstorbenen Autors übernommen. „Truly set forth“, heißt es auf Englisch. Und auf der Titelseite wird es nochmals betont: gemäß den authentischen Manuskripten, auf Englisch: „according to the true and perfect copies“.  Da der Tod Shakespeare aus dem Leben gerückt hat, hätten sie, Hemings und Condell, seine Werke gesammelt, sich um seine „Waisen“ gekümmert, so drücken sie es aus. Es ist von Waisen die Rede, nicht
von Stiefkindern. Hätte sich ein späterer Biograph die Vorrede der beiden Herausgeber genau angeschaut, so hätte er von der Hypothese eines ziemlich plötzlich eingetretenen Todes des Verfassers ausgehen müssen. Etwa von einem Herzinfarkt, der ihn im Nu hinweggerafft oder schwer gelähmt hätte – was vorzüglich zur modernen Traumwirklichkeit des vor Produktivität überbördelnden Schaffenden passen würde. Oder es wäre denkbar, daß er an der Pest gestorben wäre, nicht plötzlich zwar, aber jäh von der Umwelt abgesondert – was besser in die Alptraumwirklichkeit des 16. und 17. Jahrhunderts paßte.

Zumal 1647 das Bühnenwerk zweier jüngerer Schriftstellerkollegen Shakespeares ebenfalls im Folioformat herausgegeben wurde. Es sind Francis Beaumont und John Fletcher. Die beiden sind literarische Zwillinge. Von Beaumont erscheint zu Lebzeiten kein Quarto unter seinem Namen, aber nach seinem Tod werden alle Stücke unter beider Namen veröffentlicht. Beaumont starb 1616 im Alter von zweiunddreißig Jahren, etwa sechs Wochen vor Shakespeare. John Fletcher raffte im Sommer 1625 die Pest hin. Auch in diesem Fall fehlte wegen Fletchers plötzlichem Tod die Autorität des Autors. Und folglich stand der Herausgeber ihrer Folioausgabe vor einem ähnlichen Problem wie die Herausgeber des Shakespeare-Folios. Auch hier nimmt der Verleger für sich in Anspruch, der Intention der Autoren treu gefolgt zu sein und ist auf der Titelpagina das „according to the true copy“ vermerkt. Und auch in diesem Fall schreibt der Verleger ein Vorwort, in dem nun sehr genau gesagt wird, was unter „authentisch“, unter „true copy“ zu verstehen ist: „Als diese Komödien und Tragödien im Theater gespielt wurden, strichen die Schauspieler, so wie sie es jeweils für nötig hielten, bestimmte Szenen und Stellen (mit dem Einverständnis der Autoren); und wenn private Freunde eine Abschrift wünschten, schrieben sie (zu Recht) nur das ab, was sie aufgeführt hatten. Doch hier haben Sie alles, sowohl das, was gespielt wurde, als das, was nicht gespielt wurde, eben das perfekte vollständige Original ohne die geringste Verstümmelung. So daß, wären die Autoren noch am Leben (und gewiß sind sie unsterblich), sie selbst weder mehr noch weniger fordern würden, als das, was hier veröffentlicht ist.“

Die Versicherung, die die Herausgeber sowohl im Falle von Shakespeare wie im Falle von Beaumont und Fletcher abgeben, drückt zugleich die Verunsicherung aus. Es wird auch deutlich genug, wie falsch es ist, moderne Maßstäbe anzulegen. Autoren betrachteten die gedruckten Ausgaben ihrer Werke nicht unbedingt als endgültige Fassung, schrieben weiter an ihrem Manuskript, das derweil in mehreren unterschiedlichen Auflagen kursierte, darunter auch solche, die keineswegs vom Autor selbst stammende Änderungen enthielten.

Ein solches Manuskript fiel häufiger einem Verleger in die Hände, der es dann, ohne den Verfasser zu fragen, in Druck gab. Gab es kein Urheberrecht? Nein, es gab nur das Recht des Autors an seinem Manuskript, nicht an dem gedruckten Werk. Aber dieses Recht am Manuskript war für eine ganze Kategorie von Autoren faktisch gegenstandslos. Wir befinden uns in der höfisch-aristokratischen Gesellschaft und deren Ideal der „guten Gesellschaft“, wie es Norbert Elias genannt hat. Zu dieser guten Gesellschaft gehörte naturgemäß der Adel, aber auch Nichtadlige, die auf eine Karriere bei Hofe hofften. Elias, Fernand Braudel und andere Wissenschaftler haben darauf hingewiesen, daß die gesellschaftliche Barriere zwischen „höfischer Elite“ und „Gemeinen“ der Handel, das Geschäft war. Wollte ein Händler in die „gute Gesellschaft“ aufsteigen, hieß das aus dem Geschäft auszusteigen. Das war in England nicht anders als in Florenz, wo die Medici ihre Bankgeschäfte aufgaben und ihr Geld in Landbesitzungen und politischem Einfluß anlegten. Und Drucken galt als Gewerbe, als Geschäft. Ein Autor, der von einer Laufbahn in der Verwaltung der absoluten Monarchie träumte, mußte so tun, als ginge ihn der Druck seiner Werke nichts an, auf die Gefahr hin, daß sein Manuskript herrenloses Gut wurde, wenn es in die Hände eines Druckers kam. Es gab natürlich Mittel, dieses Verbot zu umgehen und den authentischen Text zu schützen: anonyme Herausgabe oder unter Pseudonym. Vor dem geschichtlichen Hintergrund kann man nur schließen, daß Shakespeare, da er kein Adliger war, eine Karriere bei Hofe im Sinn gehabt haben muß.

Damit wären dann alle editorischen Rätsel gelöst: Shakespeare starb plötzlich, ehe er sich richtig um die Herausgabe seiner Werke kümmern konnte. Shakespeare ist wirklich relativ unerwartet gestorben, an einer Leberkrise nach einem Saufgelage mit Ben Jonson. Aber etwas in der klassischen Biographie kann dann schlicht nicht stimmen. Wenn eben dieser Ben Jonson die Zeit fand, seine Folioausgabe selbst zu edieren, während er zugleich weitere Werke verfaßte, warum konnte dies nicht auch Shakespeare, der sich doch nach klassischer Darstellung fünf Jahre vor seinem Tod erfüllt und zufrieden nach Stratford zurückzog? Von den Einzelwerken, die zu Lebzeiten erschienen, waren ein Drittel Raubdrucke, die sogenannten „schlechten“ Quartos. Es erschienen also gute und schlechte Quartos, solche, die der Intention des Autors nicht und andere, die ihr wohl entsprachen. Auch darauf gingen die Herausgeber der ersten Folioausgabe ein: Verschiedene Werke seien nach erschlichenen Manuskripten gedruckt worden, mit entstellten Texten, verformt durch die Fälschungen und Räubereien übler Betrüger. Shakespeare ist dagegen nicht nur nicht gerichtlich eingeschritten – was er nach der damaligen Rechtslage durchaus gekonnt hätte – , sondern er hat Zeit seines Lebens nie einen verbesserten Text drucken lassen. Das erste der schlechten Quartos, Romeo und Julia, erschien 1597 anonym. Das letzte erschien 1608: König Lear. Shakespeare blieben im ersteren Fall noch 19 Jahre, im letzteren 8 Jahre, um ordentliche Texte drucken zu lassen. Die verbesserten Texte erschienen alle erst 1623, sieben Jahre nach seinem Tod.

Alle – bis auf einen: Hamlet. Die Veröffentlichungen von Hamlet werfen eine neue Frage auf. 1603 erschien ein verhunzter Text, ein Raubdruck, ein Quarto, das gerade halb so lang war wie die Fassung in der Folioausgabe. Aber 1604 erschien ein Quarto, nicht nur länger als die Fassung in der Folioausgabe, sondern nach heute vorherrschender Meinung auch besser als die Folio-Fassung. Offensichtlich hatte sich Shakespeare beeilt, eine authentische Fassung herauszubringen, und zwar derart beeilt, daß er nicht mehr zum Korrekturlesen gekommen war. Denn kein einziges Quarto,
auch kein „schlechtes“, weist soviele Druckfehler auf. Ganz anders als bei den Raubdrucken ist der Text des Quartos von 1604 jedoch einwandfrei in stilistischer und dramaturgischer Hinsicht. Warum
diese Eile im Falle von Hamlet und vor allem: Warum überhaupt nur im Falle von Hamlet? Unweigerlich stellt sich die Frage: Warum reagierte Shakespeare zeitlebens nur in diesem einen Fall auf einen Raubdruck mit der Herausgabe eines gründlich verbesserten Textes?

Man könnte vermuten, daß ihm gerade an Hamlet, das nach weitverbreiteter Meinung ein sehr persönliches, wenn nicht sogar autobiographisches Stück ist, sehr viel gelegen war. Spätestens hier wird die Biographie wichtig.

Und hier läßt uns die Folioausgabe völlig im Stich. Sie enthielt ein Vorwort für den Leser, eine Widmung und viele Lobverse, aber nicht einmal ein Geburts- oder Todesdatum. Es bestand im 17. Jahrhundert kein großes Interesse an der Biographie des Autors. Als 1603 Königin Elisabeth I. starb, forderte eine literarisch interessierte anonyme Person in einem Gedicht Shakespeare, Ben Jonson und Robert Greene auf, jetzt nur noch über die Königin zu schreiben. Die Person kannte
drei der Großen der Zeit, konnte auch selbst einen ordentlichen Vers schreiben, wußte aber nicht, daß Robert Greene bereits über zehn Jahre tot war. Auch die Frage der Authentizität eines Werkes
war kein sonderlich dringendes Anliegen. Ende des 17. Jahrhunderts, schreibt Catherine Tessmar in der FAZ vom 17. Dezember 1994 in einem Artikel über eine Londoner Ausstellung italienischer Meister, „war auf eine richtige Zuschreibung nicht viel Wert gelegt worden – was italienisch aussah, war ein Raffael, Tizian oder Veronese“. Und so erging es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch Shakespeare. Mehr als dreißig anonyme Bühnenstücke wurden, da sie elisabethanische Stücke waren, einfach Shakespeare zugeschrieben.

Ein halbes Jahrhundert später hatte sich das geändert. Arnold Hauser schreibt: „Jetzt erst genießt der Schriftsteller als solcher die Achtung, die dem Vertreter einer höheren Lebenssphäre gebührt... Jetzt erst entsteht das Ideal der schöpferischen Persönlichkeit, des genialen, künstlerisch begabten Menschen mit seiner Originalität, so wie ihn Edward Young in seinen Untersuchungen über Originalwerke charakterisiert.“ Das – 1759 erschienene – Buch Edward Youngs über den genialen individuellen Künstler mußte zum Sturm auf die Biographie des größten englischen Dichters blasen. Die Wahrnehmungsperspektive einer solchen Biographie war festgelegt: ein Mann, ein Wort, ein Autor, ein Name.

Es dauerte noch gut zwanzig Jahre, ehe sich der erste Forscher aufmachte. Doch vor ihm, zehn Jahre nach Edward Youngs Werk, waren Mythos und Geschäft zur Stelle. 1769 veranstaltete oder vielmehr: zelebrierte der Schauspieler und Weinhändler David Garrick in Stratford ein Spektakel, das als Urereignis des heute florierenden Devotionalienhandels um Shakespeare und Stratford betrachtet werden kann. Garrick, der Weinhändler und Schauspieler, trank vor der frommen Menge nach Meßopferart aus dem Becher, aus dem Shakespeare selbst vorgeblich seinen Wein getrunken hatte, pflanzte in Shakespeares Garten ein Maulbeerbäumchen, wie einst Shakespeare selbst, usw. Die seelischen Kosten dieser Schau zahlte der erste Forscher, der auszog, eine fundierte Shakespearebiographie zu schreiben.

1780 ... Dr. James Wilmot, Wissenschaftler im Ruhestand, wollte mit Shakespeares Biographie seinen Lebensabend krönen. Er wohnte in der Nähe von Stratford. Eifrig begann er die Gegend nach Manuskripten und Büchern zu durchforsten, die Leute in und um Stratford nach dem großen Dichter zu befragen, der vor mehr als 150 Jahren gestorben war. Dr. Wilmot hat nie etwas veröffentlicht. Über sein Ergebnis schwieg er sich aus. Nicht ganz. Einem Freund vertraute er sein Geheimnis an, bat ihn zugleich, es niemandem preiszugeben, hoffend wohl, der Freund würde das Versprechen geben, aber nicht halten. Der Freund tat, was sich Dr. Wilmot versprochen hatte. Nicht der Welt zwar, sondern dem kleinen Kreis einer philosophischen Gesellschaft in Ipswich tat er das Geheimnis kund. Die – wie es sich für eine philosophische Gesellschaft gehört – protokollierte und archivierte es. Und so wurde Dr. Wilmots Flüstern schließlich doch der Welt bekannt.

Dr. Wilmot, der erste, der einen ernsthaften Versuch unternahm, ein Leben von William Shakespeare aus Stratford zu schreiben, war zum ersten Zweifler an seiner Verfasserschaft geworden. Er sei in Stratford auf eisiges Schweigen gestoßen, hatte er dem Freund berichtet. Die Leute wußten über den großen Dichter nicht viel mehr zu sagen, als daß er aus Stratford war, weshalb sie Stolz empfanden ... und der Neugier des Forschers mit großem Mißtrauen begegneten, als könnte ihnen dadurch etwas geraubt werden.

Es muß eine Situation wie in Friedrich Dürrenmatts Herakles gewesen sein. Herakles wird von Augias, König des arkadischen Schweizer Kantons Elis, angeheuert, um den Mist fortzuschaffen, der Elis bedeckt. Unter diesem meterhohen Mist liegt Elis’ Stolz verscharrt, eine nicht genau abschätzbare Anzahl wertvollster Kunstwerke, um die das Ausland das kantonale Königreich beneidet. Herakles kommt nicht zum Ausmisten. Er wird durch immer neue bürokratische Formalitäten und ein sich in die Beschlußunfähigkeit palaverndes Parlament an der Arbeitsaufnahme gehindert. Die Rationalität des scheinbaren Irrsinnes offenbart der Abgeordnete Kadmos von Käsingen: „Als Vorsitzender des Heimatvereins möchte ich meinem Vorredner Pentheus von Säuliboden insofern zustimmen, als auch ich die unter dem Mist verborgenen Kunstschätze als unsere heiligsten Güter betrachte. Doch der Ansicht, meine Herren, daß das Ausmisten unsere heiligsten Güter beschädigen könnte, kann ich nicht beitreten... Was ich befürchte, ist vielmehr, daß unsere heiligsten Güter unter dem Mist gar nie vorhanden waren!... weil sie eben nur in unserem Glauben existieren... In diesem Falle, meine Herren, wäre das Ausmisten ein großes Unglück, ja, geradezu ein Verrat an unsern heiligsten Gütern... Der ganz Stolz des Eliers auf seine Vergangenheit, seinen Patriotismus erwiesen sich als Utopie.“

Ein Glaube. Genauso faßte der Freund vor der philosophischen Gesellschaft in Ipswich den Tatbestand zusammen: Dr. Wilmot sei vom Glauben abgefallen. Dr. Wilmot habe sich bei dem Landadel in Stratford und Umgebung auf die Suche nach Shakespeare-Folianten und Shakespeare-Quartos gemacht. Er sei davon ausgegangen, daß die Verwandten des Dichters oder der Dichter selbst sie an wohlhabende ehrfürchtige Sammler verkauft hätten, um ihr Einkommen aufzubessern. Er habe sich im Umkreis von fünfzig Meilen mit dem Staub jedes Bücherschrankes bedeckt. Ergebnislos, nicht ein Exemplar, das Shakespeare oder seiner Verwandtschaft gehört hatte. Dr. Wilmots Ansatz dürfte bereits ein wenig von Verzweiflung angekränkelt gewesen sein. Dreißig Jahre vorher war das erste Dokument über Shakespeare gefunden worden, das Testament. Der Entdecker hatte seine Enttäuschung darüber nicht verhehlen können, daß gar nichts darin den großen Dichter verriet. Von geistigem Vermächtnis, von Büchern war nicht die Rede, geschweige von Manuskripten. Es war nicht eigenhändig von ihm geschrieben, ja er hatte nicht einmal vorgehabt, es eigenhändig zu unterschreiben.

Dr. Wilmot, der depressiv geworden sein soll, kam zu dem Schluß, Francis Bacon käme am ehesten für die Verfasserschaft in Betracht. Das wollte er nicht veröffentlichen, lieber den Zwiespalt im stillen aushalten, nicht zuletzt deshalb, weil man in Stratford Stolz über den großen Sohn zu empfinden begann. David Garrick, Schauspieler und Weinhändler, war zehn Jahre früher da gewesen.

1942 ... Dr. Leslie Hotson blickt auf seine Expeditionen in die Keller des britischen Staatsarchivs zurück. Er gilt inzwischen als der erfolgreichste Detektiv der Literaturgeschichte. Er hat im Staatsarchiv lange Zeit verschollen geglaubte Briefe von Shelley aufgestöbert. Er trug durch seine Entdeckung der Notwehrerklärung von Christopher Marlowes Mörder im Jahre 1593 dazu bei, daß der Mord an Marlowe wieder aufgerollt wurde – und bis heute wird. Aber das Hauptaugenmerk seiner Herkulesarbeit gegen Aktenstaub und -stapel galt natürlich Shakespeare. In der Juni-
Nummer 1942 der Zeitschrift Journal of English Literary History schreibt er:
„Was wir brauchen, sind Fakten.“ Shakespeares Leben gleiche noch immer der Geographie Afrikas zu Zeiten Jonathan Swifts. Swift hatte über die zeitgenössischen Kartographen gewitzelt, sie würden
überall dort, wo Städte fehlten, Elephanten auf ihre Karten malen. Das, meinte Hotson, hätten allzu lange allzuviele Biographen auch in bezug auf Shakespeare gemacht: die weißen Flecken seines Lebens mit Riesen ihrer Fantasie übermalt. Im Gegensatz zu Dr. Wilmot kamen Leslie Hotson nie Zweifel an der Verfasserschaft.

Das war 1942. Jonathan Swift wurde etwa fünfzig Jahre nach Shakespeares Tod geboren. Die europäische Erschließung des afrikanischen Binnenlands hatte noch nicht richtig begonnen, die Erforschung von Shakespeares Leben auch nicht. Aber erstere war 1942 seit mehr als 50 Jahren abgeschlossen. Shakespeares Leben als Literat blieb ein Faktum ohne viel Fakten. War denn zwischen Dr. Wilmot und Dr. Hotson, zwischen 1780 und 1942 nichts unternommen worden?

Ganz im Gegenteil! Der betriebene Forschungsaufwand ist in der Geschichte der Literatur beispiellos. Schwärme von Existenzen haben Kontinente von Dokumenten durchwandert. Doch die Fakten, sie wurden eher weniger. Jene Fakten, die eine Brücke, einen Steg zwischen der Person und dem Werk, zwischen dem Händler und dem Schriftsteller geschlagen hätten. Nach Abräumung des arkadischen Mistes blieb nicht viel mehr übrig. Gewiß, man hatte viel Tatsachen über seinen Kreis gesammelt, aber die Kreismitte blieb weiß.

Das Staatsarchiv war nicht der einzige Schauplatz der Bergungsarbeiten. Sir James Orchard Halliwell-Phillipps reiste ein halbes Jahrhundert lang auf Shakespeares Spuren. Da das Shakespeare-Ensemble regelmäßig eine Tour durch die Provinz unternahm und die Verwaltungen der Städte, in denen gastiert wurde, es bewirten mußte – sie waren ja offiziell als Diener eines Barons oder Grafen angereist – wurden solche Ereignisse aktenkundig. Da sie außerdem eine Genehmigung vom Staatsrat brauchten, um nicht als asoziale Wanderschauspielertruppe hinter Gitter zu kommen, sind auch in solchen Genehmigungen viele Namen erhalten. Die lange Liste der Städte, deren Archive Sir Halliwell-Phillipps durchsuchte, beginnt mit Banbury und endet mit York. Dazwischen findet sich fast jeder Buchstabe des Alphabets mindestens einmal. Es tauchten die Namen von Shakespeares Kollegen und anderen Schauspielern auf. Shakespeares Name kein einziges Mal.

Die Nichtentdeckungen von Halliwell-Phillipps wurden von der Shakespeareforschung zur Kenntnis genommen. Man nahm an, daß Shakespeare kein begnadeter Akteur gewesen sei und sich vorwiegend der Schriftstellerei und dem Management der Truppe gewidmet habe.

Um die letzte Jahrhundertwende wählte Charlotte Stopes, beflügelt von der Hoffnung, die erste dokumentarisch belegte Biographie über Shakespeares Londoner Leben zu schreiben, einen anderen Ansatz. 1593 hatte Shakespeare das epische Gedicht Venus und Adonis veröffentlicht, 1594 das andere epische Gedicht Lucrezias Schändung. Beide Gedichte waren dem jungen Grafen von Southampton gewidmet. Es gehörte und gehört immer noch zum Kanon der Shakespeare-Forschung, daß ihn mit dem jungen Grafen eine innige Freundschaftsbeziehung verband. Vielen gilt er als der Freund der Sonette. Zudem wurde aus den Widmungen geschlossen, daß Southampton Shakespeare förderte: Wo Southampton war, konnte Shakespeare nicht fern sein.

Charlotte Stopes fand vieles heraus, und daraus wurde eine stattliche Southampton-Biographie. Shakespeare kommt darin nur im Konjunktiv vor. Was Shakespeare angeht, das Elixier ihres Forscherlebens, hatte sie sich im Kreis gedreht, Schlußstück war der Ansatz. Die beiden Widmungen blieben die einzigen Belege. Und sind es bis heute.

Bis auf eine Ausnahme. In den Büchern des königlichen Haushalts entdeckte sie eine Eintragung aus dem Jahre 1595: die Überweisung von 20 Pfund an Shakespeare und zwei seiner Kollegen für eine Aufführung bei Hofe am zweiten Weihnachtstag des Vorjahres. Und die Eintragung war von Southamptons Mutter. Sie war die Witwe des stellvertretenden Kämmerers. Es spricht für den Forschungsernst von Charlotte Stopes, daß sie diesen Beleg nicht verwerten wollte. Denn aus anderen Dokumenten wußte sie, daß Shakespeares Ensemble an jenem zweiten Weihnachtstag gar nicht bei Hofe aufgetreten war. Sie konnte den Vorfall plausibel rekonstruieren. Dem Ehemann hatte Königin Elisabeth einen Betrag für Vergnügungen bei Hofe zur Verfügung gestellt. Als er 1594 starb, muß sich die Königin daran erinnert haben. Als 1588 ihr ehemaliger Favorit Leicester starb, hatte sie sich auch zuerst an seine Schulden erinnert und sie schleunigst aus Leicesters Erbschaft eingetrieben. Jetzt mahnte sie bei der Witwe des Vizekämmerers eiligst schriftliche Belege über die Verwendung des Geldes an. Charlotte Stopes schloß, daß Southamptons Mutter der Auftritt von Shakespeares Ensemble ebenso eiligst erfunden habe. Diese Scheineintragung ist der einzige Beleg für Shakespeares Managementtätigkeit und für seine Beziehung zum Hof. Als Kontrast: Der Name John Hemings ist derjenige, der immer erscheint. Nach 1594 spielt Shakespeares Ensemble sieben Jahre in Folge während der Weihnachtszeit tatsächlich vor der Königin. Jedesmal wird Hemings als Zahlungsempfänger erwähnt. Die Forschung hat Stopes Entdeckung nicht mehr zur Kenntnis nehmen wollen. Shakespeare, heißt es weiterhin, habe sich vor allem als Theatermanager betätigt.

Charlotte Stopes sah sich in London einer harten Konkurrenz gegenüber. Das amerikanische Ehepaar Wallace hatte zu gleicher Zeit Quartier in London bezogen. Mit demselben Ziel: Fakten über Shakespeare zu Tage zu fördern. Mit dem gleichen Eifer. Aber anders als bei ihrer Rivalin Charlotte Stopes war ein Forschungsansatz bei ihnen nicht zu erkennen. Sie suchten in London nach Shakespeare wie amerikanische Pioniere in Kalifornien nach Gold: glauben und schürfen. Sie schürften und wurden fündig. Und ausgerechnet das fanden sie, wonach die Rivalin vergeblich gesucht hatte: Shakespeare hatte einen jungen Mann zur Heirat überredet.

Es war nicht der Graf von Southampton und nicht der Freund der Sonette, sondern der Gehilfe eines Schneiders. Und die Auserwählte, die selbst nichts zu wählen hatte, war des Schneiders Tochter. Shakespeare hatte auch nicht versucht, in dem Schwiegersohn die Liebe zu entfachen, sondern als Mittelsmann nur über die Höhe des Brautschatzes verhandelt. Darüber kam es zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn zum Prozeß, der dann 1612 stattfand. Shakespeare war als Zeuge geladen. Es hatte alle Biographen bis dahin sehr beschäftigt, wo Shakespeare in London nach 1597 gewohnt hatte. Die Frage war jetzt geklärt. Denn aus den Zeugenaussagen geht eindeutig hervor, daß Shakespeare zu diesem Zeitpunkt, im Laufe des Jahres 1604, beim Schneider einquartiert war, sich in London folglich nur vorübergehend aufhielt. Dies auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als Hamlet veröffentlicht wurde und nach der klassischen Chronologie Macbeth, König Lear und Othello geschrieben wurden. So bleibt die einzige bekannte Londoner Adresse Shakespeares ein nicht näher spezifiziertes Haus in der Pfarrgemeinde Saint Helen’s Bishopsgate. Dorthin hatten sich im Monat November des Jahres 1597 Finanzbeamte begeben, um bei Shakespeare eine Sondersteuer einzutreiben. Die Beamten trieben nichts ein, weil „die betreffende Person entweder tot oder abgereist oder umgezogen sein muß“. Ein Jahr später und wieder ein Jahr erfolgt ein neuer Versuch mit dem gleichen Mißerfolg. Anfang 1598 sind wieder Finanzbeamte, Getreidekontrolleure, zu Shakespeare unterwegs. Diesmal in Stratford. Dort treffen sie ihn an und kontrollieren, ob er in einer Hungersnotzeit kein Getreide gehortet hatte. Shakespeare war somit nicht erst 1611 nach Stratford zurückgekehrt, sondern bereits vor Ende 1597. Ausgerechnet ab 1597 beginnen seine Bühnenstücke regelmäßig zu erscheinen. Und ab 1598 wird er in einem Buch als Autor dieser Stücke namentlich ausgewiesen.

Merkwürdig auch jenes andere von den Wallaces ausgebuddelte Dokument, das direkt Shakespeare und die Theaterwelt betrifft und meist nur nebenbei erwähnt wird. Ganz ignorieren kann man es nicht, weil es die einzige erhaltene amtliche Quelle zum Kauf des Globe-Theaters ist. Wieder handelt es sich um eine Prozeßakte. Beklagter ist der inzwischen bekannte John Hemings. Klägerin auf  Herausgabe der Anteile ihres verstorbenen Ehemannes ist Thomasina Ostler, geborene Hemings. Hemingsens Tochter weiß über die Verhältnisse gut Bescheid. In der Klageschrift werden die heutigen und früheren Anteilhaber genannt. Die Anteilhaber Pope, Kemp und Phillips werden als verstorben angegeben. Das war den Shakespeare-forschern längst bekannt. In jenem Herbst 1615 aber erklärt Hemingsens Tochter vor Gericht, daß auch Shakespeare verstorben war. War Shakespeare nicht 1616, sondern bereits 1615 gestorben? Oder noch früher? Etwa 1609, als in der Widmung des Raubdruckes der Sonette zu lesen war: „Sonette unseres ewig lebenden Dichters“?

Man braucht, weiß man um diese Merkwürdigkeiten, nicht mit einem krankhaften Hang zu Querulanz, Extravaganz, Devianz, Firlefanz oder Popanz begabt zu sein, um Zweifel an der Verfasserschaft des Mannes aus Stratford zu hegen. Wohl eher mit einer übertriebenen Neigung zu Akzeptanz, um dieselben zu verschlucken.

Und einer, mindestens einer muß ja der Verfasser gewesen sein!

Die häufigst genannten Kandidaten sind Christopher Marlowe, Francis Bacon, der Graf von Derby und der Graf von Oxford. Marlowe wurde aber 1593 ermordet. Die drei anderen Kandidaten können helfen, die Frage zu lösen: Warum unternahm Shakespeare außer im Falle des Hamlet nichts gegen den Raubdruck seiner Stücke?

Shakespeare aus Stratford gibt keine Antwort auf diese Fragen. Ein Mann mit Ambitionen auf eine Hofkarriere, der sich äußerlich nonchalant gegenüber dem Raubdruck seiner Werke verhielt, kann er nicht gewesen sein. Ausgerechnet Geschäfte sind das einzige, was sicher von ihm belegt ist. Von Bacon haben wir jedoch das Zeugnis seiner großen Skrupel, gegen Raubdrucke vorzugehen. In einem Brief  an seinen Bruder schreibt er: „Ich handele jetzt wie einer, der einen schlecht bestellten Obstgarten besitzt und der die Früchte pflückt, bevor sie reif sind, damit sie nicht geraubt werden. Diese Fragmente meiner eigenen Schöpfung standen zum Druck an; eine Stornierung zu erreichen, wäre schwierig gewesen und hätte Anlaß zu Interpretationen geben können; den Druck geschehen zu lassen, hätte das Risiko bedeutet, daß sie durch unauthentische Manuskripte Schaden genommen hätten...“

Im englischen Original steht für „unauthentische Manuskripte“ natürlich „untrue copies“. Bacon greift ein. Die Essays erschienen dann 1597 ohne seinen Namen. Logischerweise war auf der Titelseite nicht zu lesen „according to the true copie“, sondern „gesehen und genehmigt“. Ein Autor, der selbst die Herausgabe seines Werkes besorgt, kann schwerlich auf der Titelseite vermerken, die Ausgabe sei nach einem authentischen Manuskript vorgenommen. Der Autor ist die einzige Autorität und brächte sich in den dringenden Verdacht, nicht der Autor zu sein, wenn er sich ausdrücklich auf  die Autorität des Autors beriefe. Bacon starb 1626.

1625 erscheint als Quarto die zweite Auflage, das zweite Quarto eines einzelnen Bühnenstückes, A King and No King, von Beaumont und Fletcher. Wie auf der Titelseite der Folioausgabe des Gesamtwerkes der beiden Autoren finden wir unseren Ausdruck „according to the true copie“. Das Quarto ist kein verbesserter Text. Das erste Quarto von 1619 gilt als der bessere Text. Offensichtlich sollte es noch im Todesjahr Fletchers herausgegeben werden, als Hommage an die beiden Autoren. Und nur deshalb. Es gibt nur noch ein einziges anderes Quarto, das dieses „according to the true copie“ auf der Titelseite trägt. Hamlet natürlich, das 1604 erschienene Quarto. Die Frage, warum Shakespeare einzig und allein auf den Raubdruck von Hamlet reagierte, nicht auf den des König Lear und aller anderen ist beantwortet: Er reagierte auch nicht auf diesen Raubdruck. Der Autor des Hamlet war, als das zweite Quarto Ende 1604 erschien, gestorben.

Von allen möglichen Kandidaten starb nur Edward de Vere im Sommer 1604. Wie John Fletcher im Sommer 1625 an der Pest.